Der Name Patzak / Pacák

Der Familienname Patzak / Pacák dürfte zur Entstehungszeit um etwa 1500, sicher vor 1600, noch wenig verbreitet gewesen sein. Das belegen die „Seelenliste nach dem Glauben von 1651″ / „Soupis poddaných podle víry z roku 1651“, eine in Europa einmalige totale Namenserfassung in Böhmen. Vor 1400 waren Familiennamen unnötig, da reichte bei der kleinen Zahl der Menschen eines Ortes der Vorname und vielleicht noch ein Hausname zur Unterscheidung; nur im Adel mit seinen besonderen Rechten waren Familiennamen schon früher im Gebrauch.
Die nach den o.g. Seelenlisten landesweit geringe Verbreitung des Nachnamens Patzak bei lokaler Konzentration deutet darauf hin, dass er wahrscheinlich auf eine Personeneigenschaft, einen sog. Übernamen bzw. „Spitzname“ zurückzuführen ist, wie zum Beispiel Nowak, Novák (Neumann) für den Neuling. Nachnamen dagegen, die aus einem Vornamen wie Johann / Jan, einem Beruf wie Schmied / Šmíd oder einem Herkunftsort wie Schlesier / Slezak stammen, haben sich häufiger und in verschiedensten Regionen Böhmens niedergeschlagen, der Nachname Patzak nicht.

Dessen Nachsilbe -ak, die ja auch bei Janak (~ Hansmann), Slezak (Schlesier), Dowrzak / Dvořák (~Hofmann) für den Höfling, vorkommt, belegt für Paczackh, Patzak und Pacák die tschechische Herkunft des Familiennamens: Da bekam einer von den dort weilenden Tschechen den Spitznamen Patzak, weil er in seiner deutschen Siedlergruppe fürs Kleingeld, den patz (4 Kreuzer) zuständig oder für seinen (kräftigen?) Handschlag pac bekannt war, quasi der Geldwechsler oder der Schlagmann.

Die Schreibweise zeigt eine große Bandbreite, denn Schreiben & Lesen konnten vor 1800 kaum mehr als 5% der Bevölkerung Böhmens. Und angehört haben sich Pacák, Patzak, Batsack und Paczackh sehr ähnlich. Das „a“ bei Patzak wurde dabei im Vorland des Riesengebirges / Podhůří Krkonoš im deutsch-schlesischen Dialekt aufgehelltem wie „ä“, also wie Pätzak, ausgesprochen. Daher taucht auch die Schreibweise Pätzak und Ähnliches auf. So notierte die Polizei 1838 nicht den in Alt-Rognitz / Starý Rokytník bekannten Joseph Pätzak, sondern, da er keinen Ausweis mit sich trug, einen Joseph Bettsack. (Beim nächsten Grenzübertritt wies er sich dann, zu seinem Vorteil, vielleicht als der Joseph Pätzak aus, für den das Verbot nicht galt?)

Bettsack statt Patzak

Belegt ist um 1650 sicher im Raum Ostböhmen die Schreibweise Paczackh (siehe hier) und in Nordmähren die Schreibweise Padczakh (siehe hier), vom Forscher Ivo Sperát 2015 als „Pacák“ übertragen. Gut belegt ist um 1700 in Alt-Rognitz z. B. ein Mathes Pätzagk und ein Trauzeuge Hans Pätzagk der Obere: In der „Seelenliste“ für den Raum Königgrätz (Soupis poddaných Hradecko) von 1651 wird in Alt-Rognitz ein Hans Paczackh der Jüngere aufgeführt. Im Jahr 1945 gab es bei 162 Häusern in Alt-Rognitz kein einziges mit einem Bewohner Pätzagk oder Pätzak, aber 18 Häuser mit dem Folgenamen Patzak,

  1. Die schnelle und verbreitete Erklärung aus dem deutschen Wort „patzen“, dass Patzak einfach der Übername für jemand ist, der patzt, also pfuscht, ist sehr schlecht. Wieso soll ein Tscheche ein deutsches Wort für einen Familiennamen wählen? Außerdem ist der Name Patzak vor 1600 entstanden, das Wort patzen taucht aber erst im 19. Jh. in der deutschen Sprache auf. Das alt-tschechisches Wörterbuch kennt nur pata für die Ferse oder Zusammensetzungen mit paz für den Tier-Huf, wie pazneht für die Klaue, kein pacat o.ä.. Selbst das heute gebräuchliche tschechische Verb für patzen, verpfuschen heißt nicht pacat sondern packat oder zpackat. Bei allem Wandel: das „k“ in der Wortmitte hätte sich bestimmt gehalten; nicht pacal sondern packal ist der pfuschende Patzer. Da ist noch pasák – der Viehhirt näher, aber auch da fehlt die typische Mitte, die Konsonanten tz / c, von den Vokalen a oder ä eingerahmt.

    Im Deutschen älter (16. Jh., patzig, klebrig) und auch im Tschechischen belegt ist der Bezug zu patz, zum Batzen, der ein Geldstück bezeichnete, das auch im Alt-tschechischen vorkommt. Josef Beneš, der Altmeister der Namenskunde in Tschechien, verweist bei „Patzak“ auf die Münze patz (čtyři krejcary) / Patz, die 4 Kreuzer (Batzen, früher auch „Dickpfennig“) wert war (NĚMECKÁ PŘÍJMENÍ U ČECHŮ / DEUTSCHE NACHNAMEN IN TSCHECHIEN, Kap. 7.456 z názvu mincí / Namen von Münzen). Da auch die sog. „Schlesierkartei“ frühe Familiennamen wie Pätz / Patzold aufweist, kann es sein, dass nach Böhmen bzw. Mähren angeworbenen Siedler Patzak den ersten Teil ihres Namens Patz schon aus Schlesien mitbrachten. Wer nördlich des Riesengebirges verblieb, erfuhr die Abwandlung des Familiennamens von Patz nach Patzke, Patzge, Patzold und Pätz; auch Baztsch ist schon vor 1600 dort nachgewiesen:

Wohlau / Wołów ist eine Stadt früher im Landkreis Wohlau / Niederschlesien, jetzt in der polnischen województwo dolnośląskie.

Erhalten hat sich im Tschechischen das Wort pac für den Handschlag bzw. in der Kindersprache für das (Patsch-) Händchen und im Mährischen dazu das Dialektwort pacat und bacat für schlagen. Also leitet sich der Übername Patzak sehr wahrscheinlich von patz / Batzen oder auch von pacat / schlagen ab.

Die beiden folgenden Versionen 2. und 3. zur Erklärung des Namens sind weniger tauglich, allein schon weil der Namen Patzak dann in Böhmen schon früher stärker verbreitet hätte sein müssen. Die heute weltweite Patzak-Verbreitung ist für die Entstehung des Nachnamens Ende des Mittelalters irrelevant.

  1. Patzak aus einem Vornamen?
    Vage denkbar ist, dass Patzak aus dem früher sehr häufigen Vornamen Pankratz (Koseform: Ratz, Kratz, auch Patz?) stammt. Pankratius ist neben Bonifatius und Servatius einer der drei „Eisheiligen“. Die gelegentlich genannte Alternative Paul / Pavel ist noch weiter weg. Der Familienname Patzelt wird nach Ernst Schwarz (1973: Sudetendeutsche Familiennamen des 15. und 16. Jahrhunderts) bereits 1521 im ostböhmischen Trautenau / Trutnov belegt. Patzelt könnte laut DFD wie Pazolt und Paczolt auf den Rufnamen Petzold zurückgehen, der vom griechisch-lateinischen Vorname „Petrus“ stammt. Ich meine, es sollte beim Forschen zur Herkunft des Familiennamens Patzak / Pacák schon bei Patz oder allenfalls Pätz bleiben, denn Petz, die alte Kurzname des Bären (Meister Petz), stammt wie Betz im Süden Deutschlands von Berthold, im Osten häufiger von Peter, so das Namens-Online-Portal forebears .
  2. Patzak aus einem Ortsnamen wie Paca / Pacsa, Patzau / Pacov oder Patschkau / Paczków?
    Patzau / Pacov liegt an der Grenze der böhmisch-mährischen Höhe und Südböhmens; der Ort scheidet als Herkunft ebenso wie das heute ungarische Paca aus, da die frühen, also „unsere“ in Ostböhmen geballt vorkommenden Patzaks, deutsch-schlesischen Dialekt sprachen, den es weder in Patsau noch in Paca gab. Eher könnten Hungersnöte (1325) und Hochwässer der Glatzer Neiße (1333, 1501) die dort stark vertretenen Deutschen aus dem oberschlesischen Patschkau / Paczków in den Süden nach Mähren und Ostböhmen getrieben haben – sie bekamen dann den Ortsnamen als Teil des Nachnamens.
    Nach dem TSCHECHISCHEN SPRACHATLAS / CESKÝ JAZYKOVÝ ATLAS von 1992 (Band 1 von 5) S. 370 gibt es in der Kategorie für den ungebrannten Ziegel / nevypalovaná cihla einen Ort in Nordmähren, südöstlich von Olmütz / Olomoucky, wo diese Art der Ziegel im Dialekt pacák heißt. Auch dieses sehr lokale Vorkommen erklärt aber kaum den Familiennamen Patzak / Pacák in Ostböhmen.

Der in Ostböhmen lebende und (auch nur dort) wirkende deutsch-böhmische Bildhauer Georg F. Patzak / Jiří F. Pacák (~1670 – 1742) aus meiner Verwandtschaft schrieb persönlich seinen Familiennamen so, am Ende eines Bittbriefs an die tschechische Obrigkeit:

Ein aktueller Blick [2021-11-11] mit forbears.io auf die Weltkarte zeigt, dass die Schreibweise Pacak weltweit am stärksten verbreitet ist, die Schreibweise Patzak im deutschsprachigen Raum, Pacak in Polen, Pacák in Tschechien. Dabei ist zum Vergleich immer auch die weibl. Form ….ová mitgerechnet:
Pacak (30 in de, 1.484 in pl, weltweit 1.879), Pacák (1.371 mal, nur in cz und sk), Patzak (959 in de, weltweit 1.243). Mit den ähnlich klingenden Nachnamen Paczak (55 v.a. us), Paczák (3 nur in hu) sind das also 4.569 Vorkommen.

Geografische Verteilung des Nachnamens Patzak

Es gibt zwar Länder, in denen die Nachnamen aus „amtlichen Quellen“ zugänglich sind, etwa in der ČR mit www.kdejsme.cz. Meistens dienen aber als Datenquelle regionale Telefonbücher, wie die deutsche Telefonbuch-CD von 1996 (jetzt stehen viel weniger Namen im Telefonbuch), die nicht sehr genau sind und deswegen bearbeitet werden.

Die Verbreitung des Namens und seiner Varianten ist dennoch gut erkennbar.

Im Teil Böhmen der Tschechischen Republik lässt sich von 1890 bis 2016 eine interessante Verschiebung des Vorkommens der häufigsten drei Namensvarianten Patzak/-ová, Pacak/-ová und Pacák/-ová beobachten. Grundlage der Grafik ist einerseits die o.g. Seite mit amtlichen Daten www.kdejsme.cz in der ČR und andererseits die Total-Erfassung von 2.681.000 Datensätzen der österr.-ungarischen Verlustlisten des 1. Weltkrieg, die auch anderweitig als Grundlage von Namensverbreitungskarten genutzt wird.

Diagramm Schreibweise

Um 1890, in dieser Zeit wurden die bis dahin in der gleichen Familie immer wieder veränderten Namen fixiert, überwog die Schreibweise Patzak an den Varianten Patzak, Pacák und Pacak, incl. -ová in ganz Böhmen mit 65%, vor allem in den beiden ostböhmischen Kreisen Trautenau mit ca. 94% und Königinhof a. d. Elbe mit ca. 83% (orange Balken). Das spricht dafür, dass viele Menschen, deren Urgroßvater in Böhmen Patzak hieß, ihr Wurzeln in diesem Teil Ostböhmens haben und vermutlich sogar verwandt sind. Daneben gibt es eine kleine mährische Patzaklinie (s. oben). Ob beide Linien einen Ursprung haben bleibt noch zu erforschen,

Während die Bevölkerung Böhmens (ohne Mähren) vom 1890 bis 2016 um 21% auf 7 Mill. anstieg, tragen den Namen Patzak /-ová gegenüber 141 im Jahr 1890 nach 126 Jahren nur noch 59 Menschen. Vermutlich als Folge der Vertreibung der Deutschböhmen aus der ČSR in den Jahren 1945/46 ist diese Schreibweise um 58%, als um mehr als die Häfte, gesunken.
Auch 2016 (blaue Balken) kommt aber in den beiden ostböhmischen Kreisen Trautenau und Königinhof diese Schreibweise noch mehr als doppelt so häufig vor wie in Böhmen insgesamt.

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