Patzak – Pacák: dt 5…8

(Erweiterte Materialsammlung-2015 Kap. 5..8 zum Patzak-Pacák-Buch)

5. Das Figurenprogramm an den Mariensäulen der Patzaks

Policka,_Mariensaeule_kIn Politschka (č: Polička) gestaltete  Georg F. Pacák  1731 die Mariensäule auf dem Marktplatz; da sie als Dank für die an der Stadt vorüber gegangenen Pestepidemie errichtet  wude, heißt  sie auch Pestsäule. Die Säule findet nach Ansicht von Kennern nicht ihresgleichen in Böhmen.

Auf einem dreieckigen Grundriss stehen im unteren Bereich die Figuren des Hl. Josef, der Hl. Anna, des Hl. Joachim, weiterhin des Hl. Wenzel, des Hl. Vitus, des Hl. Florian sowie des Hl. Sebastian, des Hl. Karl Boromäus, des Hl. Rochus. Gekrönt ist die Säule mit der Darstellung der Verkündigung, der Himmelfahrt und der Krönung der Jungfrau Maria sowie als Abschluss die Darstellung ihrer Erwählung (mit einer Aureole mit 12 Sternen). Die architektonische Komposition geht wahrscheinlich auf den Architekten Franz Maximilian Kaňka zurück.
(Foto gemeinfrei, Adam Sekanina, Quelle: Wikipedia)

In Schatzlar (č:  Žacléř) wird der Rýchorské Platz ebenfalls von einer Mariensäule dominiert, die von Georg F. Patzak aus dem Jahr 1725 stammt, als die Jesuiten dort herrschten.   Die Spitze der Säule krönt die Jungfrau Maria, in der Mitte stehen die Heiligen Dominikus, Bernhard und Hieronymus in breitkrempigen Hut mit einem Löwen im Vordergrund, dahinter der Hl. Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens.

[ Warum werden gerade diese Heiligen gewählt?  Welche Bedeutung haben sie und das Figurenprogramm ? … Detail-Bilder dazu…]

6. Franz Patzak in der Werkstatt Georg F. Patzaks

In Unter-Augezd bei Leitomischl (č: Dolní Újezd v Litomyšl) errichtete im Jahr 1737  Franz Patzak diese Skulpturengruppe  der Jungfrau Maria. In der Werkstatt im benachbarten  Leitomischl  arbeitete  er als Sohn Georg F. Patzaks  mit, der auch als Autor genannt wird. Dem Franz Patzak vererbte sein Vater Georg das Werkzeug und die Werkstatt, wie aus einem Dokument hervorgeht, das Josef Tejkl in den 1980er Jahren in den Jesuitenakten  entdeckte. Aus den Kirchenbüchern hat Josef Tejkl diese Daten für Franz Patzak entnommen:
Taufe am 29. Dezember 1713 in der Mariahilfkirche Lusche;  Beerdigung am 13. September 1757 in Leitomischl.

Patzak-Georg_Wenzel_1737_Mariengruppe_ Unter-Augezd_215

Der renommierte Prager Kunsthistoriker Václav Vilém Štech (1882 . 1974) schreibt zu dieser Skulptur (Die Barockskulptur in Böhmen . 1958, S. 107): “Das Werk verrät zeichnerisches Fühlen in der fließenden Modellierung, die alle konstruktiven Elemente in einen Rhythmus überführt.”

Das kolorierte Holzmodell – die Patzaks haben zunächst  Holzschnitzerei gelernt –  wird auf dem Nebenaltar der örtlichen Martinskirche aufbewahrt.

Franz Patzak wurde auch überregional bekannt durch seinen Schüler Dominikus  Auliczek (č: Auliček, *1.8.1734 in Policka, † 15.4.1804 München) , der als Nachfolger von Franz Anton Bustelli als Modellmeister und Hofbildhauer in der Nymphenburger Porzellanmanufaktur wirkte. (Quelle: Große Bayerische Biographische Enzyklopädie. 2005,  S.  77) . Sein  weltweit bekanntester Entwurf, das PERL-Service, europaweit erstmals mit 12-eckigen statt runden Untertassen, wird nach Originalvorlagen des 18. Jahrhunderts noch heute in verschiedenen Variationen in Nymphenburg hergestellt:

Dominik_Auliczek_Kaffee-Tisch-grT-PERL

[Übergang zum Rokoko, Detailbilder von Patzak-Werken dazu… ]

7. Woher kommen die Patzaks?

Zeugnisse der Familie Patzak (č: Pacák) reichen in Ostböhmen  in der Herrschaft Schurz, die sich früher bis Trautenau (č: Trutnov) incl. Alt-Rognitz (č: Starý Rokytník, heute Ortsteil von Trautenau) und Schtzlar erstreckte, nach den bisherigen Funden zurück bis zum Georg Schurzer Schaffer Patzak (*1617,  †29.Aug.1687 in Schurz).  Die Heimatkunde (Borufka, Josef: Der politische Bezirk Königinhof, 1908) mutmaßt, dass deutschsprachige Bauern und Handwerker aus Schlesien für den Süden nach Ostböhmen angeworben wurden. Und natürlich wanderten Patzaks wieder zurück oder blieben in Schlesien.  Daher gab es auch in Schlesien  Patzaks, z. B. den 1873 in Liegnitz geborenen Kunsthistoriker der Universität Breslau , Prof. Dr. Bernhard Patzak.

Aus Schurz, mindestens aus der Herrschaft Schurz, diesem Ort mit einer Patzak-Geburt 1617  oder aus Alt-Rognitz kommen diese, weniger in Prag aber  in der Provinz v.a. in Ostböhmen hoch geschätzten und bekannten Barockbildhauer Patzak:

Ein heute noch als unerforscht geltender Josef Patzak ist als Mitarbeiter M. B. Brauns in Schurz als “Patzalt” schon in den Lexikas von  1782 und 1790  aufgeführt:  1782 wird er Brauns „vorzüglichster Schüler” genannt, „Er [Patzak] setzte im Anständigen und Edlen seinen Meister [Braun] zurück.”:

PELZEL-1782-Teil4_Auszug_Pazalt-S-127_2015-Feb-28

Der Piaristen-Priester Jaroslav Schaller nennt ihn in der Topographie des Königreichs Böhmen (1790) im Abschnitt zu Schurz und Dubenetz (15. Teil, S. 65 / 66), den „berühmten Bildhauer Patzalt” der „hier [in Schurz]  zur Welt” kam. Der Ort „Gehörte ehedem dem Jesuitenprofesshause bei St. Anna in Wien”:

Patzak_Patzalt_berBildhauer_Schaller-1790_S-65-66

Dass mit „Patzalt”  der Schnitzer und Bildhauer Josef Patzak gemeint war, ergibt sich aus der Schurzer Pfarrchronik von 1816 (s.u.)  und dem Werk J. G. Sommers von 1836 , der auch Patzalt = Patzak auflöst:

Patzak_berBildhauer_Sommer-S-88-1836

De Gemeinde Dubenetz nennt, unter Berufung auf neuerdings gefundenen Archiv-Unterlagen,  auf ihrer Homepage {2015-04-07] Josef Patzak als den Inhaber der Bildhauerwerkstatt in Schurz, in der sein Verwandter (Neffe ?) Georg Patzak mitarbeitete. Es sei damals üblich gewesen, zu den Werken nicht den Kunstschaffenden selbst, also Georg F. Patzak, sondern den Meister und Leiter der Werkstatt Josef Patzak zu nennen. Die Urkunden, aus denen aber hervorgeht, was Josef Patzak selbst geschaffen  hat, sind bisher verschollen, wohl auch durch Brand und Unachtsamkeit verloren gegangen.   Unbestritten gehören zur Familie dieser ostböhmischen Barockbildhauer Patzak der  Franz G. Patzak (*1713 in Lusche,  †17.Sep.1757  in Leitomischl) und sein Vater (früher fälschlich als älterer Bruder genannt)  Georg F. Patzak (*1664  Schurz? oder *1670 in ALt-Rognitz,   †11. Aug. 1742 in Mährisch-Trübau). (č: František J. Pacák a  Jiří F. Pacák, gelegentlich in Fremdenverkehrsbroschüren auch  einfach zu einer Person Jiří František Pacák zusammengezogen). Georg F. Patzak heiratete am 16. Okt. 1738 in Leitomischl die „tugendhafte (=virtuosa)“ Frau Anna Maria , wohl die Witwe des Trübauer Malers Christian David:

Patzak-Georg-Franz-1738-10-16_oo_Anna-Maria_David_Leitomischl_415k

Den Wenzel Franz Patzak  (č: Václav František Pacák) als eigene künstlerisch tätige Person gibt es nicht; „Wenzel“ ist eine Lesefehler im  Sterbeeintrag des Franz Patzak 1757, der in der Gebursturkunde 1713 als Franz Heinrich geführt wird.

Die genauen Familien-Zusammenhänge können erst Urkunden, v. a. die Kirchenbücher klären, die hoffentlich bald online sind – das staatlichen Gebietsarchivs in Zámrsk, (dort steht auf den Listen der Kirchenbücher zu  Schurz S. 1821,  Alt-Rognitz S. 1484 und Luže S. 198 leider noch kein zip-Link, Stand 24. 4. 2015).  Auch bei den Mormonen ist noch nichts zu Schurz u. ä. zu finden. Da ist also noch zu warten. Manchmal gibt es Hilfe „vor Ort” in den Kreisarchiven  z.B. in dem sehr freundlichen Archiv in  Trautenau / Trutnov.

8. Hofbildhauer der Schurzer Jesuiten

Der böhmische König (ab 1627) , ab  1637  Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Ferdinand III (1608 – 1657) schenkte 1635  den Jesuiten für ihr Wiener Novizenhaus St. Anna das Schloss in Schurz (č: Žireč)  –  natürlich in der Erwartung, dass die Jesuiten auch in Ostböhmen die Re-Katholisierung voran brachten, die Katholische Reform, wie sie Antonín Kratochvil (Das Böhmische Barock, 1989) besser als mit dem Wort Gegenreformation bezeichnet wissen will. Jedenfalls bauten sie das Haus zur Schurzer Jesuitenresidenz aus, sie hatten ja Güter in Schurz und in Schatzlar (č: Žacléř )  bekommen.

Schurz_Venuto-1820
„Am 1. März 1635 erhielt das Probhaus [St. Anna, Wien] von Kaiser Ferdinand II. [oder III., d.Vf. ] aus dem beschlagnahmten Vermögen des Grafen Adam Erdmann Trzka die Güter Schurz und Schatzlar im nordöstlichen Böhmen.” (Fundationsbuch, p. 43 ff.)
Von Schurz aus vergaben sie an ihren  „Hofbildhauer” Patzak (d.h. an seine Werkstatt)  zahlreiche Bildhauerarbeiten im Raum Schurz, z. B. für die Schlosskirche St. Anna.

Ansichtskarte_Schurz_b_215 Schurz-St-Anna-Portal_o14

[ Eindrucksvolle Bilder zu den sehr guten Werken im Inneren dieser Kirche … ]

Hier der Kopf der von Georg F. Patzak (oder Josef Patzak?) geschaffenen Skulptur des Jesuitenheiligen  Franz Xaver, in Schurz (legendär mit dem Blick nach Kukus) nach der Restaurierung durch den akad. Bildhauer Karel Krátký im Jahr 2012:

Franz-Xaver_Schurz_2012

Johann Gottfried Sommer vermerkt in seiner Enzyklopädie „Das Königreich Böhmen” Bd. Königgrätzer Kreis von 1836 auf S. 88, dass deren Vater,  „der zu seiner Zeit berühmte Bildhauer Josef Patzak“, „gegen Ende des 17. Jahrhunderts” in Alt-Schurz zur Welt kam und „im Kukuser Spitale 1740 in  größter Dürftigkeit starb.”  Erstaunlich – denn M.B. Braun bekam z. B. für die Barockskulpturengruppe  der Hl. Luitgard im Jahr 1711 in Prag den Betrag von 1.200 Gulden ausbezahlt, viel Geld, von dem er sich in Prag leicht ein Häuschen mit Garten für 740 Gulden kaufen konnte (E. Poche: M. B. Braun 2003, S. 30 und Fn. 83).

Chroniktitel_mit-Statue_FX_Josef-Patzalt_o14Während seit dem 1938-er Aufsatz von E. Poche (s.o.) die Kunsthistoriker die Statue des Hl. Franz Xaver  auf dem Mühlberg bei Schurz den Georg Patzak zuordnen , sieht das die Pfarrchronik, verfasst im Jahr 1816, anders. Es heißt dort: „II. Statue des heiligen Franziskus Xaver auf den Mühlberge. .. von den Jesuiten ….  denselben [wie bei der Florian-Statue]  berühmten Bildhauer Josef Patzak aus Alt-Schurz erwählt. Die Statue stellt diesen Apostel dar, fundiert in der gewöhnlichen Stellung, wie er wilden Kindern Unterricht erteilt; in der linken Hand hält er das Kreuz…”

Die Gemeindechronik von 1927 berichtet auch noch die Geschichte dazu: „Im Jahre 1720 wurde die hiesige Gegend von einer sehr argen Viehseuche heimgesucht. Die Bäuerin Röhrich aus Rennzähn gelobte, wenn ihr Gehöft von der Seuche verschont bleibt, dem heiligen Franziskus ein  Standbild zu widmen. Sie hielt auch ihr Versprechen und beauftragte die Schurzer Jesuiten, ein solches Standbild auf ihre Kosten errichten zu lassen. Die Herstellung der Statue übernahm Josef Patzak aus Dorf  Schurz.
Das Standbild stellt den Apostel  der Inder dar, wie er Negern  die Taufe erteilt. – In der linken Hand hält er ein Kreuz.”

Gedenkbuch_Schurz_1927_mit-FX_Josef-Patzak_1720
Hat der Pfarrer, der 1816 die Chronik verfasste, weniger gewusst als Emanuel Poche 1938?  War er nicht viel näher, örtlich und zeitlich an den historischen  Quellen, z. B. dem Text des Auftrags oder der Rechnung, als der Prager Emanuel Poche?  Dieser begründet die Autorenschaft Georg Patzaks mit Stilvergleichen, also nicht mit historischen Dokumenten.  Diese Auffassung hat sich inzwischen aber wohl bei den Kollegen der Zunft durchgesetzt.

Die Verwandtschafts- und Urheber-Verhältnisse der Patzaks (vgl. hier) sind auch deswegen so unsicher, weil in Schurz durch einen verheerenden Brand (am 1. April 1825) und in Wien durch rigorose Aufräumarbeiten nach der Säkularisation viele Dokumente der Jesuiten,  oft Auftraggeber der Bildhauer Patzak, verloren gegangen sind.

Das Wiener Archiv der Jesuiten teilte dazu am 11. Sep. 2014  mit: „Bei der Aufhebung des Jesuitenordens 1773 wurden die Archive der damaligen Österreichischen Jesuitenprovinz für den Staat in Besitz genommen. In der Folge wurde ein großer Teil des Archivbestandes vernichtet.”

Vielleicht tauchen noch Duplikate auf?

Bild vom Brand

(Bild aus der Chronik der Pfarrei Schurz, die 1816 beginnt)

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